
In den letzten acht Jahren habe ich gemeinsam mit guten Freunden alle Himmelsrichtungen Europas auf dem Motorrad erkundet. Dieses Jahr wagen wir den nächsten Schritt. Wir überschreiten die europäische Grenze und machen uns auf den Weg nach Marokko. Ab dem 28. September 2025 starten Matthias auf seiner BMW 1150 GS Adventure und ich auf meiner Ducati Hypermotard 950 RVE zu einer vierwöchigen Reise von rund 10.000 Kilometern, wobei wir die ersten 3.000 Kilometer in nur vier Tagen bis Gibraltar durchziehen wollen. Mit der Fähre setzen wir anschließend auf den afrikanischen Kontinent über und fahren entlang der marokkanischen Atlantikküste in Richtung Süden, bis wir das Atlasgebirge erreichen. Dort erwarten uns enge Schluchten, hohe Pässe und spektakuläre Landschaften, bevor wir wieder Richtung Norden durch das Landesinnere zurückkehren. Ich freue mich auf neue Wege, fremde Kulturen, spannende Begegnungen und setze auf das Durchhaltevermögen von Mensch und Maschine, sowie auf bestes Reisewetter.
Die Reise begann von zu Hause aus mit einem liebevollen und ausgiebigen Frühstück, denn schon am ersten Tag sollten 880 Kilometer bei 16 Grad Celsius und einem Sonne-Wolken-Mix bis nach Frankreich absolviert werden. Geplant. Getan. Unspektakulär erreichten wir mit unseren vollgepackten Maschinen nach vier Tankstopps und zwei Staus kurz vor 20 Uhr unser Hotel in Besançon. Es war bereits dunkel und uns wurde bewusst, dass wir dieses Jahr aufgrund unserer herbstlichen Reisezeit mit kürzeren Tagen rechnen mussten. Also starteten wir am zweiten Tag schon 8.30 Uhr und spulten 733 Kilometer auf den französischen mautpflichtigen, aber sehr gut organisierten und informationsreichen Autobahnen ab. Das größte Phänomen war dabei das Wetter. Vormittags kämpften wir uns bei 8 Grad Celsius durch dichten Nebel, was sich besonders auf der Autobahn noch viel kälter und nasser anfühlt, um dann Nachmittags an der Mittelmeerküste mit 30 Grad Celsius und Sonne begrüßt zu werden. Mit knurrenden Mägen kamen wir 17 Uhr in unserem Hotel in Argelès-sur-Mer an, wo wir auch gleich das Restaurant zur Stärkung mittels leckerer Lammhaxe aufsuchten, um später nach einer überfälligen Dusche geschafft ins Bett zu fallen.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Denn erneut war am dritten Tag unser Sitzfleisch für 753 Kilometer auf der spanischen mautfreien Autobahn gefragt, welche wir uns mit zahlreichen deutschen Wohnmobilen und Anhängern, die in den Süden flüchteten, teilen mussten. Diesmal jedoch bei ganztägigen angenehmen 25 Grad Celsius und Sonnenschein. Wobei uns Alicante tatsächlich mit etwas Nieselregen gegen 17.30 Uhr empfangen hat, was uns aber mit Blick auf den mediterranen Flair nicht weiter störte. Außerdem sollte unsere letzte Etappe am vierten Tag umso schöner werden, denn es ging auf der A92 bei 22 Grad Celsius und großteils über 1000 Höhenmetern nach Gibraltar. Ganz überrascht von dem landschaftlich bezaubernden Verlauf unserer Strecke durch Hochebenen und Gebirgszüge kamen wir bereits 16 Uhr in unserer Unterkunft an. Die Einreise in die britische Enklave war mittels Personalausweis absolut schnell und unkompliziert. Die Parkplatzsuche hingegen war selbst für uns als Motorradfahrer eine riesige Herausforderung, da nur spezielle „MOTO“ Stellplätze benutzt werden dürfen. Das britische Überseegebiet mit Rechtsverkehr ist wahnsinnig voll, dicht besiedelt, liegt am Rock of Gibraltar und beherbergt obendrein noch einen Flughafen. Also viele Einwohner, Touristen und Fahrzeuge auf kleinstem Raum. Aber es funktioniert und wir mittendrin. Trotz der hohen Temperaturen von 28 Grad Celsius, haben wir es uns nicht nehmen lassen und sind den Berg bis zur Hälfte hochgestiefelt. Dieser diente früher als Festung zur Verteidigung und wird heute von Berberaffen als Lebensraum genutzt.
Nach 3.000 Kilometern durch Westeuropa und einem kolonial britischen Frühstück im passenden Speisezimmer konnten wir endlich gegen 11.30 Uhr in Algeciras unsere Fähre in Richtung Marokko zum Hafen von Tanger Med befahren. Die Motorräder wurden wieder gesichert und kaum hatten wir abgelegt, konnte man schon das Festland des afrikanischen Kontinents erspähen. Auf dem Schiff wurde innerhalb der drei Stunden Fahrzeit gleich die Passkontrolle durchgeführt, zu der wir vorher einen kleinen Zettel für das Visum ausfüllen mussten. Damit war die Einreise an Land relativ schnell abgewickelt und wir mussten lediglich noch drei Punkte abhaken: Haftplichtversicherung für Matthias sein Motorrad abschließen (bei mir ist Marokko zum Glück auf der grünen Versicherungskarte mit enthalten), Bargeld abheben (vorallem im ländlichen Raum, auf den Märkten und als Trinkgeld ist das wichtig, wobei man mit 2000 Dirham weit kommt) und SIM-Karte versorgen (20 GB plus 20 Minuten Telefonieren für 280 Dirham). Die ersten beiden Punkte konnten wir direkt im Hafengebiet erledigen und den letzten Punkt dann später in Asilah, unserem Tagesziel. Doch zunächst fuhren wir entlang der Küste durch Tanger, was uns mit seinem sauberen und modernen Stadtkern positiv überraschte. Wenige Kilometer weiter, hielten wir am Cap Spartel, wo sich das Mittelmeer und der Atlantik treffen, um dann in Richtung Süden gegen 18 Uhr und 170 Kilometern mehr auf dem Zähler, in unserem Hotel einzuchecken. Anschließend suchten wir die weißblaue und künstlerisch gestaltete Medina (Altstadt) von Asilah auf und genossen den Sonnenuntergang.
Zum ersten Mal wurden wir gegen 6 Uhr durch den Muezzin einer benachbarten Minarett leicht geweckt, um dann nochmal bis kurz vor dem Frühstück ab 8 Uhr weiter zu schlafen. Gestärkt sattelten wir die Maschinen und bezahlten den Nachtwächter, der unsere direkt vor dem Hoteleingang auf dem Fußweg geparkten Motorräder draußen auf einem Stuhl sitzend bewacht hat, mit 40 Dirham. Wie gesagt, 20 bis 50 Dirham sollte man immer in Scheinen dabei haben, um zum Beispiel auch Tankwärter oder Kofferträger mit Trinkgeld zu würdigen. So taten wir es auch nach 208 Kilometern in unserem nächsten Hotel in der Landeshauptstadt Rabat, wo der Concierge uns unsere Maschinen in den Gepäckraum des Hotels fahren ließ. Mit so viel Tatendrang für die Sicherheit unserer Sachen hatten wir nicht gerechnet. Doch umso erleichterter gingen wir nach drei Stunden Autobahnfahrt duschen, um dann ab 14.30 Uhr die Stadt zu erkunden. Auf dem Plan standen das geschwungene Theatre Royal (von der renommierten Architektin Zaha Hadid vor ihrem Tod entworfen), der Royal Mansur (Hochhaus für eine Akademie der Gastronomie), der Tour Hassan (Minarett mit dem dazugehörigen königlichem Mausoleum), dem Jardin Andalous (ruhige Gartenanlage zum Verweilen) und die Medina mit ihrem farbenfrohen Souk (Markt) und der beeindruckenden Stadtmauer, die direkt an den Atlantik grenzt.
Den heutigen Tag konnten wir ganz entspannt angehen lassen, da lediglich 94 Kilometer Autobahn bei 27 Grad Celsius und Sonne bis Casablanca anstanden. Also gab es erst 9 Uhr Frühstück und wir konnten uns frisch gestärkt in den chaotischen Stadtverkehr stürzen, sowie der Herausforderung von dreispurigen Kreisverkehren stellen. Wobei man sagen muss, dass Chaos nur der erste Eindruck ist, denn irgendwie fließt es trotzdem und es wird auch tatsächlich Rücksicht genommen. Richtungsspuren, Zebrastreifen, Vorfahrtsregeln und auch manchmal Ampeln dienen lediglich als Empfehlungen. Solange man sich defensiv verhält und langsam fährt, kommt man ganz gut durch. Und so erreichten wir auch bereits 13 Uhr unser kleines Hotel, wo wir uns gleich nach einer erfrischenden Dusche fußläufig zu einer der größten Moscheen der Welt aufmachten. Die Hassan-II.-Moschee thront sehr eindrucksvoll mit ihrer 200 Meter hohen Minarett an der atlantischen Felsenküste. Das Bauwerk wurde 1993 fertiggestellt und kann bis zu 25.000 Personen in der Gebetshalle aufnehmen. Darunter befinden sich eine Madrasa (Koranschule) und ein Hammam (Bad), sowie eine Bibliothek, ein Museum und mehrere Konferenzräume. Schwer beeindruckt verließen wir nach zwei Stunden das hauptsächlich aus Granit und Zedernholz errichtete Gebäude, bevor sich die schweren Tore hinter uns schlossen und der Muezzin zum Nachmittagsgebet aufrief.
Erneut konnten wir uns mit dem Frühstück im Hotel Zeit lassen, da lediglich 97 Kilometer als Überlandfahrt bis El Jadida anstanden, wo auf uns eine Ferienwohnung mit direktem Blick auf das Meer und Tiefgaragenstellplatz wartete. Gegen 13 Uhr erreichten wir unser Domizil, duschten und machten uns abfahrbereit, denn heute hatten wir etwas ganz Besonderes vor. Matthias hatte ein Treffen mit den Eltern einer marokkanischen Freundin organisiert, die als Ingenieure in El Jadida leben. Sie holten uns 15 Uhr vom Appartement ab und fuhren mit uns in ihre Villa am Stadtrand. In einem riesigen Salon mit Couchlandschaft wurde uns leckerer marokkanischer Kuchen und Minztee serviert. Wir unterhielten uns über die arabische Kultur, das Essen, den Verkehr und das Leben in Marokko. Es war eine tolle Erfahrung mit ganz lieben Menschen, die uns obendrein noch ein typisch einheimisches Abendessen zauberten. Denn es gab neben Salat und Gemüse, ganz zartes Rindfleisch mit Datteln und Erdnüssen, was man sich mittels einem kleinen Stück Brot von einem gemeinsamen großen Teller herausnimmt und direkt isst. Satt und zufrieden fielen wir spät ins Bett bevor uns am nächsten Morgen das Meeresrauschen weckte. Frühstück gab es im benachbarten Café mit Blick auf den Strand bei angenehmen 22 Grad Celsius und Sonne. 10.30 Uhr starteten wir die Maschinen und fuhren entlang der Atlantikküste weiter in Richtung Süden. Es wurde staubiger und sandiger. Nach 271 Kilometern kamen wir in unserem niedlichen Hotel im Stadtkern von Essaouira an und stürzten uns nach 17 Uhr ins Getümmel. Zum Abendessen gönnten wir uns eine typische Tajine samt Minztee. Lecker.
Vor der Abreise nach Agadir gegen 10 Uhr musste ich zunächst einen niedlichen Strassentiger wecken, der es sich nachtsüber auf meiner Rücksitzbank gemütlich gemacht hat. Das ist vorallem in den marokkanischen Städten nicht selten, denn hier gibt es extrem viele streunende Katzen und Hunde, die aber von allen Menschen respektiert und auch gefüttert werden. Grundsätzlich muss man sagen, dass überall aufeinander geachtet und gesorgt wird, auch wenn es für uns Europäer manchmal einen befremdlichen Eindruck macht. Es stehen zum Beispiel viele Menschen am Strassenrand, vorallem im ländlichen Raum, die einfach nur zum Einkauf in die Stadt o.ä. mitfahren wollen. Selbst auf den Autobahnen. Es funktioniert. Heute sollten wir jedoch zum ersten Mal kaum Menschen unterwegs antreffen, denn es ging ab Mittag in die westlichsten Ausläufer des Atlasgebirges und auf eine der schönsten Straßen, die wir bis jetzt gefahren sind. Serpentinen nebst atemberaubender Landschaften ohne Ende ganz für uns alleine. Da können die mit Touristen überfüllten Alpenpässe einpacken. So war es auch am nächsten Tag als wir gegen Mittag den südlichsten Punkt unserer Reise erreichten. Diesmal waren die Kurven schneller und die Landschaft kahler, aber die Ausblicke blieben sensationell. Wir bewegten uns größtenteils auf 1500 bis 1800 Höhenmeter und fuhren somit bei tatsächlich angenehmen 30 Grad Celsius samt kühlendem Fahrtwind, bevor wir kurz vor unserem Riad (Gästehaus) bei 40 Grad Celsius gegen 16 Uhr in Taroudannt ankamen. Den krönenden Tagesabschluss bildete eine kalte Dusche, die vegetarische Tajin und der Apfelkuchen der Herbergsmutter.
Unser heutiges Ziel sollte Marrakech sein, wobei der Weg durch den Atlas über die N7 eine Fahrt ins Ungewisse war. Denn bereits gestern hatten wir erfahren, dass die Passstrasse durch das Erdbeben vom 8. September 2023 völlig zerstört wurde und sich teilweise noch im Bau befindet. Wir wagten dennoch die Route über die 2000 Höhenmeter und starteten nach einem ausgiebigen Frühstück kurz vor 9 Uhr die Maschinen. Bereits ab Kilometer 50 begannen die ersten Baustellen, welche in Marokko grundsätzlich immer etwas abenteuerlich, ohne Asphalt und mittendurch sind. Ganz entgegen unserer diesjährigen Devise kein Offroad zu fahren, entpuppten sich die nächsten 100 Kilometer als reinste Schotterpiste. Der Staub war extrem und setzte sich auf Motorrad, Kleidung und Lunge. Das Ausmaß der Zerstörung durch die Naturgewalt war jedoch noch viel schlimmer. Ganze Berghänge waren abgerutscht und haben zahlreiche Bergdörfer unter sich begraben. Die Überlebenden hausen teilweise immer noch in Notunterkünften. Wir konnten lediglich ein paar Bonbons an die Kinder verteilen, bevor wir nach 218 Kilometern im überfüllten und 30 Grad Celsius warmen Marrakech landeten. Gegen 16 Uhr bezogen wir unser sehr schönes Riad mitten in der Medina, während unsere Motorräder vor den Mauern auf einem bewachten Parkplatz übernachten mussten. Am nächsten Tag erwartete uns das völlige Kontrastprogramm in Richtung Ouarzazate. Die Passstrasse N9 führte zwar ebenfalls bei 22 Grad Celsius über 2200 Höhenmeter, war aber mit ihren zwei bis drei Asphaltspuren ein echter Schräglagengenuss. Schnell zirkelten wir die Maschinen durch den Atlas und hielten lediglich zum Trinken oder Fotografieren von wunderschönen Oasen und Canyons entlang der P1506. Das berühmte Lehmdorf Aït-Ben-Haddou schauten wir uns nur von Weiten an, da uns die zahlreichen Busladungen für einen näheren Blick abschreckten. Und so trafen wir nach 212 Kilometern bereits 15 Uhr im Hotel ein und entspannen am Pool.
Ganz verwundert über den diesigen Morgen mussten wir feststellen, dass draußen ein heftiger Wind tobte, der in Marokko natürlich vorrangig Sand aufwirbelt und die Atmosphäre trübt. Ungeachtet dessen, stürzten wir uns ab 9.30 Uhr bei angenehmen 20 Grad Celsius in den Orkan und hofften im Dadestal auf Besserung der Sichtverhältnisse. Teilweise ging die Rechnung auf und es offenbarten sich atemberaubende Schluchten, die uns zu mehreren Fotostops verleiteten. Wir schraubten uns bis auf fast 3000 Höhenmeter und genossen immer wieder die sensationellen Ausblicke auf die Canyons und runden Berggipfel. Kurz vor 16 Uhr erreichten wir mit fast leerem Tank unsere rustikale Herberge in Agoudal auf 2400 Höhenmeter, wo es selbstverständlich eine traditionelle Tajin samt Minztee zum Abendessen gab. Unser Gastgeber war sehr fürsorglich und fuhr sogar am nächsten Morgen bei 10 Grad Celsius mit ins Dorf, wo er mir das bessere Benzin organisierte. Denn richtige Tankstellen gibt es hier oben im Atlasgebirge nicht. Da ist man auf Bezindealer angewiesen. 5 Liter für 100 Dirham reichten mir durch das faszinierende Todratal bis nach Tinghir, wo ich wieder volltanken konnte. Denn wir mussten es heute noch bis in die Wüste bei Merzouga schaffen. Die Temperaturen stiegen, die Landschaft wurde flacher und kahler, die Strassen kilometerlang geradliniger und man musste sich vor Sandverwehungen in Acht nehmen. Nach 292 Kilometern und über 30 Grad Celsius erblickten wir die Dünen der Erg Chebbi Wüste. Direkt am Rand stand unsere noch rustikalere Unterkunft im Anwesen einer Berberfamilie. Die Motorräder sollten wir im zweiten Innenhof sicher abstellen, da sich diese nun 60 Stunden ausruhen durften und wir per Kamel unsere Reise im Sand fortsetzen werden.
Pünktlich 10 Uhr standen unser Expeditionsführer und zwei gesattelte Kameldamen direkt vor der Tür. Bewaffnet mit dem Nötigsten, vorallem für jeden eine große Flasche Wasser, starteten wir den Weg in die Wüste, während unser Übernachtungsgepäck per Jeep ins Camp gefahren wurde. Wackeliger als ich dachte, aber dennoch angenehm und gemächlich, ging es 2 Stunden quer durch die Dünen. Die Temperaturen waren erträglich und der kühlende Wind machte es zusätzlich aushaltbar. Zum Mittag erreichten wir eine Oase, wo wir mit reichlich Essen und Minztee versorgt wurden. Ich erkundete zu Fuß die Gegend und kletterte auf die höchste Düne für einen Rundumblick bis nach Algerien. Danach war Siesta im Schatten der Oasenbäume angesagt. Ab und zu kamen Spanier mit ihren Jeeps, Quads oder lautstarken Dünenbuggies vorbei. Außerdem gab es zahlreiche Motocrossfahrer, die diesen riesigen Sandkasten als Spielwiese nutzten. Man ist in Erg Chebbi nie alleine! 16 Uhr ging es weiter bis zum Camp, wo wir duschten und den wunderschönen Sonnenuntergang genossen. Anschließend gab es Abendessen unter einem überwältigenden Sternenhimmel. Selbst die Milchstrasse war aufgrund der fehlenden Lichtverschmutzung deutlich zu erkennen. Ein Traum. Am nächsten Morgen beobachteten wir den Sonnenaufgang über der algerischen Grenze und machten uns nach dem Frühstück wieder auf den Rückweg. Zurück in Merzouga schlenderten wir durch die kleinen Strassen, kauften Gewürze und überbrückten im Restaurant die Zeit bis zur abendlichen Quadtour. Und was soll ich sagen. Mit dem 500ccm Quad bei Sonnenuntergang durch die Wüste zu heizen ist einfach mal das Geilste der Welt!
Nach einer zweitägigen Pause hieß es heute wieder rein in die staubige Motorradkombi und rauf auf das dreckige Motorrad. Das gehört bei einer Abenteuerreise durch Marokko einfach dazu. Gewaschen wird zu Hause. Wobei ich dieses Jahr ein neues Konzept bezüglich meiner Sachen erfolgreich getestet habe. Ich habe alte T-Shirts, Socken und Unterhosen bis zur Hälfte der Reise Stück für Stück abgestoßen und somit mein Reisegepäck kontinuierlich reduziert. So traten wir 10.30 Uhr bei 28 Grad Celsius den Rückweg in Richtung Norden an, um zum letzten Mal einen Blick auf die Dünen zu werfen. Geradlinig und flach führte uns die Straße vorbei an zahlreichen Fossilausgrabungsstätten bis an den Atlas, wo wir bereits nach 162 Kilometern unsere Kasbah beziehen konnten. Voller Vorfreude am darauffolgenden Tag durch das farbenfrohe und formenreiche Gebirge zu düsen, mussten wir feststellen, dass dies ohne Sonnenschein und bei 15 Grad Celsius erfolgen muss. Nichtsdestotrotz begeisterte uns die Fahrt durch abstrakte Hochebenen und abwechslungsreiche Kurven entlang der Berghänge. Leider gab es wieder einige schlammige Baustellen und sehr aufdringliche Bergdorfjungs, die direkt vor uns auf die Straße gesprungen kamen und aggressiv Geld erbettelten. Aber nicht mit uns. Süßigkeiten bekommen nur freundliche Kinder. Unfallfrei erreichten wir nach 227 Kilometern gegen 16 Uhr unsere abgelegene Kasbah Mourik, wo sich buchstäblich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Daher ist es wichtig, dass in allen Bergunterkünften kostengünstige Abendessen angeboten werden. Und so konnten wir für 130 Dirham pro Person ein leckeres drei Gänge-Menü samt Getränk als Tagesabschluss unser Eigenen nennen. Satt und ziemlich erschöpft fielen wir in unsere marokkanisch angenehm harten Betten.
Der Tag begann kurz nach halb 8 mit den ersten Sonnenstrahlen bei 18 Grad Celsius und den Weckrufen von Trut- und Haushahn. Es standen 284 Kilometer auf kleinen, kurvenreichen und gut asphaltierten Nebenstraßen bis nach Fès an. Das Atlasgebirge thronte hinter uns, aber die vorgelagerten Hügellandschaften, welche immer noch über 1500 Höhenmeter aufwiesen, waren nicht weniger abwechslungsreich. Unser Weg führte uns durch Steppen, Wälder, Olivenplantagen und Nationalparks, wo sogar wilde Berberaffen unseren Weg kreuzten. Kurz vor 16.30 Uhr erreichten wir unser Dar Ziryab, eine echte Perle in der Großstadt, deren älterer Eigentümer hervorragend deutsch spricht und uns sämtliche Informationen zur Besichtigung der Stadt mitgab. Wobei uns die detailverliebte Unterkunft fast mehr beeindruckte als zum Beispiel die Tore des königlichen Palastes oder der Medina. Am nächsten Morgen rollten wir die Motorräder wieder aus den Innenhof und starteten unsere Etappe nach Chefchaouen. Diesmal war die Route weniger attraktiv und der Asphalt war schrecklich, denn es gab zahlreiche Schlaglöcher, riesige Bodenwellen und viel Split in den Kurven. Nach 215 Kilometern und bei 30 Grad Celsius konnten wir in unserem Vier-Sterne-Spa-Hotel aufatmen, duschen und uns in die wunderschöne blaue Medina begeben. Wir schlenderten durch kleine Gassen mit wenig Touristen und kaum aufdringlichen Verkäufern. Es war sehr angenehm im Gegensatz zu gestern in Fès. Im Restaurant Triana mit Bergterrasse dinierten wir sehr lecker beim Sonnenuntergang.
Ab 8 Uhr bot unser Wellness-Hotel zu unserer großen Freude ein sehr umfangreiches und internationales Frühstücksbuffet an, denn die letzten morgendlichen marokkanischen Stärkungen beschränkten sich meistens auf Minztee, Orangensaft, Crêpes, Fladenbrot, Honig, Marmelade, Butter, Streichkäse, Omlett und Oliven. Lecker, aber Abwechslung nach zwei Wochen tut auch mal gut. Satt und zufrieden traten wir die letzten 169 Kilometer bei 28 Grad Celsius auf marokkanischen Boden an. Zum Glück gab es für den Abschluss nochmal feinsten Asphalt und ein paar Kurven durch die beliebteste Wandergegend ganz im Norden des Landes. 16 Uhr trafen wir in unserer schönen Unterkunft mit Bergpanorama ein, wo wir gleich nach dem Duschen ausgiebig bekocht wurden. Am nächsten Morgen organisierte uns unsere Gastgeberin ein Großraumtaxi nach Tanger, da wir unseren „Puffertag“ zum Sightseeing und Shopping nutzen wollten. Zwei Euro für 40 Kilometer auf der hintersten Sitzbank eines Dacia mit vier weiteren Fahrgästen und einem Fahrer, bei dem man den Angstgriff ganz doll festhalten sollte. Lebend erreichten wir unser Ziel und schlenderten am Hafen entlang sowie durch die Medina. 15 Uhr trafen wir uns mit dem Bruder der Familie, die wir in El Jadida besucht hatten. Auch hier wurden wir sehr herzlich empfangen, kulinarisch versorgt und bekamen Unterstützung beim Einkaufen im lokalen Gewürzladen. Als krönenden Tagesabschluss fuhren wir noch mit Kind und Kegel zum Sonnenuntergang ans Cap Spartel, wo die Reise durch Marokko vor 20 Tagen begann.
Meine Heimreise innerhalb von vier Tagen quer durch Westeuropa sollte nochmal alles abverlangen. Doch zunächst stärkten wir uns ein letztes Mal mit marokkanischen Frühstück und eilten 9 Uhr zum Hafen. Fristgerecht nahmen wir unsere Tickets entgegen und steuerten unsere Fähre an, welche 10.30 Uhr ablegen sollte. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die marokkanischen Grenzbeamten gemacht. Die Passkontrolle war kein Problem, aber unsere Fahrzeugpapiere wurden über eine halbe Stunde lang geprüft und keiner konnte englisch, um uns zu informieren. Irgendwann hatten wir unsere Dokumente zurück und das nächste Hindernis folgte keine 50 Meter weiter. Alle Fahrzeuge mussten zum Röntgenscan anstehen und danach gab es noch eine Durchsuchung mit Drogenspürhunden. Was für ein Desaster. Nach insgesamt über zwei Stunden Ausreiseprozedur kamen wir am Terminal an und sahen unsere Fähre auslaufen. Stinksauer mussten wir nun drei Stunden Däumchen drehen und mit dem nächsten Schiff 13.30 Uhr übersetzen. In Europa angekommen, trennten sich unsere Wege. Matthias fuhr noch eine Woche länger durch Portugal, während ich die direkte Route zurück nach Hause nahm. 22 Uhr erreichte ich nach dunklen 467 Kilometern mein Hotel in Lorca, das zum Glück noch bis 23 Uhr offene Küche hatte. Am nächsten Tag sauste ich 774 Kilometer bei angenehmen 20 Grad Celsius und Sonnenschein die spanische Ostküste in Richtung Norden bis nach Andorra. Leider konnte ich nur Bruchstücke von den beeindruckenden Pyrenäen erspähen, da ich mit wenig Zeit noch vor Einbruch der Dunkelheit im Skigebiet Soldeu sein wollte. Dankenswerterweise konnte ich die Maschine in der Tiefgarage des Hotels einparken, denn am darauffolgenden Tag war plötzlich Herbst. Regen, Nebel und Temperaturen von 8 Grad Celsius zwangen mich Pullover und Regenkombi anzuziehen, sowie die Heizgriffe einzuschalten. Schade, dass ich so die nördliche Seite der Gebirgskette zwischen Spanien und Frankreich nicht zu Gesicht bekam. Zurück an der französischen Mittelmeerküste gab es zwar keine Wolken mehr und die Temperaturen lagen bei 16 Grad Celsius, aber dafür tobte der heftigste Sturm, den ich bis dato noch nicht erlebt hatte. Unter voller Anspannung hangelte ich mich von Tankstop zu Tankstop, wobei das schlimmste Erlebnis eine Windböe war, die mich von der Mittelspur auf die rechte freie Fahrspur versetzte. Im Laufe des Tages drehte glücklicherweise der Wind und so konnte ich die Hälfte der 812 Kilometer mit Rückenwind in Richtung Besançon vorankommen. Froh alles gut überstanden zu haben, fiel ich im ersten Hotel dieser Reise erschöpft ins Bett. Die letzten 878 Kilometer bis nach Hause liefen trotz einstelliger Temperaturen erstaunlicherweise ganz gut, da es entgegen der Wettervorhersage nur zwei kleine Schauer unterwegs gab. Nach 10 Stunden Fahrt und vier Pausen war es geschafft. Mit 9632 Kilometer mehr auf dem Zähler und zahlreichen wundervollen Eindrücken, war ich allerdings auch froh, dass Mensch und Maschine so gut durchgehalten haben. Da hat sich meine Ducati Hypermotard 950 RVE eine ordentliche Dusche verdient.